Wie hat sich die Neuapostolische Kirche in Wiesbaden entwickelt? Welchen Einfluss hatte die Zeitgeschichte auf die Gemeinden? Und wie klang die Musik in den Gottesdiensten vor 125, 80 oder 50 Jahren? Antworten auf diese Fragen erhielt, wer am 25. März 2023 dem Zeitreise-Konzert in der neuapostolischen Kirche in Wiesbaden lauschte.
Wenn eine Gemeinde 125-jähriges Jubiläum feiert, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Auf unterhaltsame Art führte Priester Matthias Hagemann die Zuhörer durch die Geschichte der neuapostolischen Gemeinden in und um Wiesbaden.
Wechselvolle Zeit- und Gemeindegeschichte
Im Jahr 1898 war Deutschland noch ein Kaiserreich. Der Kaiser besuchte Wiesbaden regelmäßig zu Kuraufenthalten; der prominente Gast machte die Kurstadt weltweit bekannt. Die Reichen und Schönen kamen und ließen Häuser bauen, die bis heute das Stadtbild prägen. Im Gegensatz dazu waren die Anfänge der neuapostolischen Kirche in Wiesbaden bescheiden, doch die Gemeinde wuchs und zählte im Jahr 1910 schon 92 Mitglieder.
Die folgenden Jahrzehnte waren von Wirtschaftskrisen, politischen Verwerfungen und schließlich zwei Weltkriegen geprägt. Erst in den 1950er-Jahren ermöglichten Wirtschaftswunder und Wiederaufbau vielen Menschen ein besseres Leben. Auch die neuapostolische Kirche wuchs; in Wiesbaden bestanden damals zeitweise drei Innenstadtgemeinden. In den 1960er- und 1970er-Jahren wuchs mit den Neubaugebieten auch die Zahl der Gemeinden weiter bis auf elf im Jahr 1981.
Doch auch an der Neuapostolischen Kirche ging die allgemeine Entwicklung nicht spurlos vorüber; wie in anderen christlichen Kirchen sinkt die Zahl der Gläubigen langsam, aber stetig. In den 1990er-Jahren, also etwa 100 Jahre nach der ersten Gemeindegründung, begann daher eine Phase der Zusammenführung von Gemeinden. Heute besteht in Wiesbaden nur noch die neuapostolische Kirche, in der sich die Ausführenden und Zuhörer des Zeitreise-Konzerts versammelt haben, sowie eine Gemeinde im Vorort Kostheim.
Geschichte in Bild und Ton
Der geschichtliche Rückblick wurde um zwei weitere Dimensionen bereichert. An die Kirchenwand projizierte Fotos und Lieder aus den beschriebenen Epochen machten die Gemeindegeschichte lebendig. Den musikalischen Schwerpunkt des Nachmittags eröffnete Ronald Jeremias an der Orgel mit einem virtuosen Medley beliebter Lieder aus dem neuapostolischen Repertoire. Außerdem trugen der gemischte Chor der Gemeinde unter seiner Leiterin Jessica Kriewald, ein Instrumentalensemble und ein Kinderchor (fast) ausschließlich Lieder aus neuapostolischer Feder vor. Neben „Nimm Jesus in dein Lebensschiff“ in der Version aus dem Gesangbuch von 1925 und der Chormotette „Ziehe deine Schuhe aus“ erklang auch der altbekannte „Brautzug“, der aus der Feder des im Jahr 2000 verstorbenen Wiesbadener Gemeindeältesten Karl Müller stammt.
Mit „Hört, Jesus ruft“ aus dem vor beinahe 20 Jahren eingeführten neuapostolischen Gesangbuch und dem englischsprachigen „I am a small part oft he world“, das der Kinderchor vortrug, wurden die Zuhörer wieder in die Gegenwart geholt. Ein gelungener Nachmittag wurde mit reichlich Applaus beendet. „Ich habe es sehr genossen“, freute sich eine der Besucherinnen.